Wenn Menschen sich ohnmächtig und hilflos fühlen angesichts der hoch komplexen Krisen in der Welt, so haben sie die Tendenz, diese Gefühle der Ohnmacht und Hilflosigkeit zu verdrängen, um handlungsfähig zu bleiben und ihren Alltag zu bewältigen. Wie können Zen, Achtsamkeit und Praktiken wie die Metta- und Mitgefühls-Meditation dazu beitragen, Ohnmacht und Hilflosigkeit auszuhalten und in innere und äussere Aktivität zu transformieren, um neue Wege im Umgang mit globalen Krisen zu finden?

Was sind die häufigsten Verdrängungsmechanismen, wenn wir Ohnmacht und Hilflosigkeit empfinden, wenn wir mit den globalen Krisen konfrontiert sind in unserem Alltag?

  1. Ablenkung: die meisten Menschen neigen dazu, sich von Problemen abzulenken, indem sie sich in ihre Arbeit, Unterhaltung oder soziale Aktivitäten vertiefen, um die Belastungen zu vergessen. Es sind vor allem die modernen Medien und die Neuromarketingstrategien der Produktewerbung, die unser dopaminerges Belohnungssystem anheizen und unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, durch die wir leicht ablenkbar sind. Dazu gehören Werbestrategien wie Priming, Limbic-Marketing, Emotional Marketing, Marketing durch Storytelling, Werbestrategien aus dem Bereich von Behavioural Economics, Autoplayfunktionen z. B. auf youtube, etc. Das bedeutet: wir bewegen uns ständig im Einflussbereich von Medien, auf denen um unsere Aufmerksamkeit gebuhlt wird, was unsere Ablenkbarkeit enorm verstärkt.
  2. Leugnung: Einige Menschen verleugnen oder minimieren die Ernsthaftigkeit der Krise und tun so, als ob sie nicht existiere.
  3. Rationalisierung: Menschen versuchen oft, die Krisen durch rationale Argumente zu erklären oder zu rechtfertigen, um sich besser zu fühlen.
  4. Passivität, Emotionslosigkeit, Depression: Manche Menschen fühlen sich so überwältigt, dass sie inaktiv werden und nichts unternehmen, um die Situation für sich zu verbessern. Manche werden emotional unberührbar, andere depressiv.
  5. Externalisierung: Die Schuld wird häufig auf andere, die Regierung oder große Institutionen geschoben, anstatt selbst Verantwortung zu übernehmen und aktiv zu werden.

Das sind nur einige wenige, vielleicht die häufigsten Strategien, um sich vor überwältigenden Emotionen der Hilflosigkeit und Ohnmacht angesichts globaler Probleme zu schützen. Die Folge davon ist, dass Menschen inaktiv bleiben, sich nicht informieren und keine Schritte unternehmen, um etwas zu verändern.

Wie können Zen & Co da helfen?

Was können Zen, Achtsamkeit und Meditationspraktiken wie die Kultivierung von liebevoller Güte (Metta) und Mitgefühl (Karuna) dazu beitragen, um konstruktiver mit globalen Problemen umzugehen und aktiv zu werden, sich zu informieren und Schritte zu unternehmen, die Dinge zu verändern?

  1. Resilienz: Durch all diese Meditationspraktiken bildet sich Resilienz in Form von Erfahrungen eines inneren, unendlich weiten Raumes, der offen ist und eine glückliche Grundstimmung entstehen lässt. Dieser weite innere Raum wird als tragfähig erlebt und ermöglicht es, sich den unbequemen Gefühlen zu stellen, sie wahrzunehmen und als Weckruf zu verstehen, sich den beängstigenden Informationen zu stellen und aktiv zu werden, sei es in Form von Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl zur Ressourcenstärkung oder um in der Welt aktiv zu werden und so die Formen der Verdrängung zu überwinden.
  2. Klarer Blick oder Klarheit des Geistes: Zen und andere Meditationspraktiken führen zu innerer Gelassenheit, Gleichmut, beruhigen das Bewusstsein. Dies trägt dazu bei, inmitten von Chaos und Unsicherheit innere Klarheit zu gewinnen, die Losgelöst ist von Unruhe, Angst und blindem Aktivismus. In der Tiefe der Meditation jenseits der Worte und Konzepte befinden wir uns in einem Raum grösster Virtualität, d. h. von potentiellen Möglichkeiten und grösster Kreativität. Die Verknüpfungen von Gedanken, inneren Bilder und Gefühlen, die daraus hervorgehen, wenn wir uns wieder der Welt zuwenden, können vollkommen neuartig sein.
  3. Achtsamkeit und Präsenz: Achtsamkeitspraktiken helfen dabei, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein und sich selbst und die Dinge bewusster wahrzunehmen. Dies ermöglicht ein tieferes, unverstellteres Verständnis der aktuellen Situation und dem Wahrnehmen der eigenen Reaktionen/inneren Anteile darauf. Es entsteht ein neutraler, innerer Beobachter.
  4. Empathie und Mitgefühl: Die Praxis der Brahmaviharas (liebende Güte, Gelassenheit, Mitfreude und Mitgefühl) fördert die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und die Wechselwirkungen und wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Menschen und dem Leben auf der Erde wahrzunehmen. Sie ermöglichen es uns insbesondere auch, uns in unsere Kinder und Enkel (zukünftige Generationen) hineinzuversetzen, wenn wir uns dabei mit den aus den Wissenschaften gut begründeten Schreckensszenarien aktiv auseinandersetzen und aktiv Mitgefühl für für unsere Kinder, Enkel und zukünftige Generationen zu entwickeln. Dies kann dazu beitragen, dass wir uns mit anderen verbinden, um uns gemeinsam öffentlich zu engagieren, Druck auf Politik und Wirtschaft auszuüben, um die längst bekannten, notwendigen Veränderungen einzuleiten.
  5. Sanghageist: Zen- und Mitgefühlspraktiken fördern das Gefühl der Verbundenheit mit anderen. Dies kann Menschen dazu inspirieren, sich als Sangha (gemeinsam Praktizierende) oder Einzelne in Gemeinschaften und Organisationen zu engagieren, die sich mit globalen Problemen befassen.

Insgesamt können diese Praktiken dazu beitragen, Menschen zu unterstützen, eine positive innere Haltung zu entwickeln, die es ihnen ermöglicht, konstruktiv auf globale Herausforderungen zu reagieren, anstatt sich von Gefühlen der Ohnmacht überwältigen zu lassen. Sie fördern eine innere Stärke und die Fähigkeit, Veränderungen in der Welt auf eine positive Weise zu beeinflussen.

Literaturtip: Dalai Lama & Greta Thunberg: Kreisläufe des Klimawandels. Was wir noch tun können, um die Welt zu retten, 2021 Mind Life Institut.

Wo wir heute stehen, zeigt der aktuelle Vortrag von Udo Engelhardt

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert