Autor: Peter Widmer
Prävention zum Erhalt kognitiver Fähigkeiten
Seit den 70er Jahren ist die Lebenserwartung in den OECD-Ländern dramatisch gestiegen: von durchschnittlich 70 auf 80,5 Jahre. Zugleich haben mit dem Älterwerden der Bevölkerungen neurodegenerative Krankheiten, der Abbau kognitiver Fähigkeiten und Demenz, zugenommen. Daher ist es wichtig, dass wir nicht nur das Zustandekommen solcher Erkrankungen und die Risikofaktoren besser verstehen lernen, sondern uns auch darüber Gedanken machen, wie wir solchen Erkrankungen präventiv entgegenwirken können, um steigenden Gesundheitskosten entgegen zu wirken und unsere Lebensqualität möglichst lange aufrecht zu erhalten. Eine Reihe neuerer Meditationsstudien legen nahe, dass Meditation ein gangbarer Weg sein könnte, diesen Risiken des Älterwerdens entgegen zu wirken.
Bisherige Studien zeigen, dass Meditation…
- kognitive Fähigkeiten und kognitive Flexibilität,
- Aufmerksamkeitslenkung,
- Erinnerungsvermögen,
- die Fähigkeit, sich verbal fliessend auszudrücken,
- exekutiven Funktionen und
- die Verarbeitungsgeschwindigkeit in unserem Gehirn,
- den Umgang mit Konflikten und die
- Kreativität verbessert. [1. Siehe dazu: Lutz, A., Slagter, H.A., Dunne, J.D., Davidson, R.J. (2008): Attention regulation and monitoring in meditation. In: Trends Cogn. Sci. 12,163–169.doi: 10.1016/j.tics.2008.01.005, sowie: Lutz, A., Slagter, H.A., Rawlings, N.B.,Francis, A.D.,Greischar, L.L., Davidson,R.J.(2009): Mental training enhances attentional stability – neural and behavioral evidence. In: J. Neurosci. 29, 13418–13427.doi: 10.1523/JNEUROSCI.1614-09. 2009; Colzato ,L.S.,Ozturk,A., Hommel,B. (2012): Meditate to create: the impact of focused-attention and open-monitoring training on convergent and divergent thinking. In: Front.Psychol. 3:116. doi:10.3389/fpsyg.2012.00116; Gard,T., Holzel,B.K., Lazar,S.W. (2014): The potential effects of meditation on age-related cognitive decline: a systematic review. In: Ann.N.Y.Acad.Sci. 1307, 89–103. doi:10.1111/nyas.12348; Lippelt, D.P., Hommel, B., Colzato,L.S. (2014): Focused attention, open monitoring and lovingkindness meditation: effects on attention ,conflict monitoring, and creativity-Areview. Front.Psychol. 5:1083.doi: 10.3389/fpsyg.2014.01083; Marciniak,R., Sheardova,K., Cermakova,P., Hudecek,D., Sumec, R., Hort, J. (2014): Effect of meditation on cognitive functions in context of aging and neurodegenerative diseases. In: Front.Behav.Neurosci. 8:17.doi: 10.3389/fnbeh.2014.00017.]
“Forever Younger” – Meditation bewahrt Gehirnsubstanz vor altersbedingtem Abbau
Auf diesen und weiteren Studien aufbauend, die nahelegen, dass die Gehirnmasse Meditierender sich altersbedingt weniger stark verkleinert, haben Eileen Luders und ihre Mitarbeiter von der Universität von Kalifornien, herausgefunden, dass Meditation Gehirnsubstanz vor dem Abbau zu bewahren vermag. 2015 veröffentlichten sie folgende Studie: „Forever Young(er): potential age-defying effects of long-term meditation on gray matter atrophy“.[2. Eileen Luders et al: Forever Young(er): potential age-defying effects of long-term meditation on gray matter atrophy. Frontiers in Psychology, 2015; 5. DOI: 10.3389/fpsyg.2014.01551]
Die Wissenschaftler verglichen Langzeitmeditierende mit Nicht-Meditierenden. In beiden Gruppen nahm die Gehirnmasse mit zunehmendem Alter ab. Doch die Gehirnmasse der Langzeitmeditierenden verminderte sich in geringerem Masse als die der Nicht-Meditierenden und die Forscher zeigten sich überrascht über das Ausmass. Dr. Florian Kurth, ein Co-Autor der Studie, sagte: „Wir erwarteten eher kleine und ganz bestimmte Unterschiede zwischen gewissen Gehirnregionen, welche in den bereits veröffentlichen Arbeiten untersucht worden waren. Was wir jedoch fanden, war, dass die Meditierenden im gesamten Gehirn weitläufig dickere Gehirnregionen aufwiesen, als die Nicht-Meditierenden.“ „Es scheint,“ betont Eileen Luders, „dass eine längere Lebenserwartung nicht auf Kosten der Lebensqualität zu gehen braucht! Während viel Forschung betrieben wird in Bezug auf Risikofaktoren neurodegenerativer Erkrankungen, wird relativ wenig Aufmerksamkeit gegenüber Forschungsansätzen entgegen gebracht, welche aufzeigen, wie die Gesundheit des Gehirns erhalten bleiben kann.“
In jeder der beiden Gruppen waren 28 Männer und 22 Frauen zwischen 24 und 77 Jahren. Die Lanzeitmeditierenden meditierten zwischen 4 und 46 Jahren – im Mittel 20 Jahre. Die Gehirne der Teilnehmenden wurden mit hochauflösenden MRIs gescannt. Die Scans wurden entsprechend verglichen.
Gehirnregionen, die sich während des Alterungsprozesses nach Mitte 20 verkleinern (in rot),
Meditierende untere Reihe, Nicht-Meditierende obere Reihe. [3. Siehe: Ebd.]
Die Forscher konnten keine unmittelbar kausalen Schlüsse zwischen Meditation und den dickeren Gehirnbereichen ziehen, denn die nicht berücksichtigten Faktoren und Wechselwirkungen wie beispielsweise Lebensstil, Persönlichkeitszüge, genetische Unterschiede sind schlichtweg zu zahlreich. Dennoch sind die Resultate „vielversprechend“, sagt Luders, und regen sicherlich weiterführende Untersuchungen an.