Autor: Peter Widmer

Neuroplastizität – Meditation ist assoziiert mit kortikaler Verdickung

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Neuroplastizität bedeutet die Fähigkeit unseres Nervensystems und insbesondere unseres Gehirns, sich kurz-, mittel- und langfristig zu verändern, was einhergeht mit lebenslangem Lernen und der Anpassung an veränderte Lebensumstände.
Eine Reihe von Forschungsarbeiten zeigen, dass bestimmte Gehirnareale sich unter dem Einfluss von Meditation dauerhaft verändern können.

2005 veröffentlichte Sarah Lazar, Leiterin des Meditationsforschungszentrums der Harvard Universiät, eine Studie mit erfahrenen Langzeit-Meditierenden mit dem Titel: „Meditation experience is associated with increased cortical thickness“[1. Sara W. Lazar, Catherine E. Kerr, Rachel H. Wasserman, Jeremy R. Gray, Douglas N. Greve, Michael T. Treadway, Metta McGarvey, Brian T. Quinn, Jeffery A. Dusek, Herbert Benson, Scott L. Rauch, Christopher I. Moore, Bruce Fisch: Meditation experience is associated with increased cortical thickness, in: Neuroreport. 2005 Nov 28; 16(17): 1893–1897.]. 2011 veröffentlichte Sie eine weitere Studie, diesmal aber mit Meditationsanfängern, die an einem achtwöchigen Meditationsprogramm teilnahmen. Der Titel der Studie: “Mindfulness practice leads to increases in regional brain gray matter density” [2. Britta K. Hölzel, James Carmody, Mark Vangel, Christina Congleton, Sita M. Yerramsetti, Tim Gard, Sara W. Lazar. Mindfulness practice leads to increases in regional brain gray matter density. Psychiatry Research: Neuroimaging, 2011; 191 (1): 36 DOI: 10.1016/j.pscychresns.2010.08.006.].

Im folgenden Video stellt Sarah Lazar die Ergebnisse ihrer beiden Studien vor.

Bei Ihrer Studie von 2005 verglich Sarah Lazar mit ihrem Team die Gehirne von vierzig Meditierenden, welche täglich durchschnittlich 40 Min. meditierten und über durchschnittlich 9.1 Jahr Meditationserfahrung verfügten, in einem speziellen Magnet-Resonanz-Tomographen (MPRAGE) mit den Gehirnen einer Kontrollgruppe von fünfzehn Nicht-Meditierenden. Alle Meditierenden hatten zudem an mindestens einem einwöchigen Meditations-Retreat teilgenommen, an welchem sie täglich rund 10 Stunden meditierten.
In der Studie von 2011 scannte Lazar die Gehirne von 18 Meditationsanfängern jeweils zwei Wochen vor und nachdem sie an einem achtwöchigen MBSR-Programm teilgenommen hatten. Während dieses Meditations-Programms meditierten die Teilnehmenden der Studie pro Tag durchschnittlich 27 Minuten.

Meditation, so das Resultat beider Studien, geht einher mit der Verdickung verschiedenster Hirnareale – darunter der linke Hippocampus, der temporo-parietale Übergang, die rechte Insula (allerdings nur bei den Langzeit-Meditierenden), der dorsolaterale präfrontale Kortex sowie der mittlere präfrontale Kortex – welche insbesondere für folgende Funktionen zuständig sind:

Interessant war u.a., dass bei den fünzig Jahre alten Langzeitmeditierenden der mittlere präfrontale Kortex noch dieselbe Grösse besass, wie bei fünfundzwanzigjährigen Nicht-Meditierenden. Das ist angesichts der generellen Abnahme der Grösse des Kortex im Laufe des Älterwerdens erstaunlich und weist darauf hin, dass die natürliche Abnahme des Kortex an dieser Stelle durch Meditation womöglich aufgehalten werden kann.

Modulation von Emotionen und emotionale Balance

Die Hauptfunktionen des mittleren präfrontalen Kortex, welche sich durch Meditation zu entwickeln scheinen, haben zu tun mit der Körperwahrnehmung, emotionaler Balance und der Fähigkeit, flexibel auf Dinge zu reagieren (die Fähigkeit, eine Reaktion zu stoppen).
Emotionale Balance hat mit der Fähigkeit zu tun, das limbische System auszubalancieren. Sie sorgt dafür, dass das limbische System uns nicht mit Emotionen überschwemmt, so dass wir in ein emotionales Chaos abgleiten und dass die Emotionen uns mit der Umwelt und anderen Menschen auf eine angenehme, bedeutungsvolle Art und Weise verbinden. Der mittlere präfrontale Kortex spielt hierbei eine Schlüsselrolle, da er uns hilft, unsere Emotionen zu modulieren. Insbesondere bei der Modulation von Ängsten spielt diese Gehirnregion eine wichtige Rolle. Oft wird während der Meditation GABA (Gamma-amino-Buttersäure) freigesetzt, welche das limbische System beruhigt. Studien mit fortgeschrittenen Meditierenden zeigen überdies, dass Meditation die Amygdala hinunterreguliert, welche bei Angsterlebnissen stark aktiviert ist. Die Amygdala ist insbesondere zuständig für die Kampf- und Fluchtreaktion und für emotionale Zustände hoher Intensität. Auch Lazar hat in ihren Studien eine Verkleinerung der Amygdala bei Meditierenden festgestellt.
Unser Alltagsstress ist direkt verbunden mit einer Überstimulation der Amygdala – also einer Überstimulation der Angstreaktion. Lazar stellte fest, dass je grösser die subjektiv empfundene Stressreduktion der Meditierenden ist, desto kleiner ist ihre Amygdala.[3. Britta Hölzel, Sarah Lazar et al fanden auch in einer Studie von 2010 bei Meditierenden strukturelle Veränderung in der rechten basolateralen Amygdala. Hier zeigte sich eine Abnahme der Dichte des Mandelkerns. Siehe dazu: Britta K. Hölzel, James Carmody, Karleyton C. Evans, Elizabeth A. Hoge, Jeffery A. Dusek, Lucas Morgan, Roger K. Pitman, and Sara W. Lazar: Stress reduction correlates with structural changes in the Amygdala, in: SCAN (2010) 5,11-17, DOI:10.1093/scan/nsp034]  Mit anderen Worten: Indem wir durch Meditation achtsamer werden, steigt unsere Fähigkeit, mit Stress, Ängsten, beunruhigenden Dingen und Befürchtungen umzugehen, welche unser Leben auf subtile oder zuweilen sehr markante Art und Weise beeinflussen können.

Körper-Intuition

Ein anderer wichtiger Aspekt, der mit dem mittleren präfrontalen Kortex verbunden ist, ist die Körper-Intuition. Der mittlere präfrontale Kortex erhält Input von den inneren Organen, wie etwa vom Herzen, den Lungen und den Verdauungsorganen und Därmen. Eine Stärkung der Signale aus unserem Körperinneren durch meditatives Gewahrsein verbindet uns tiefer mit der Weisheit unseres Körpers, indem nun die Körpersignale unsere rationale Überlegungen und unser Verhalten mehr mitbestimmen können. Die Qualität der Verbindung mit den Signalen unseres Körpers vertieft unser intuitives Verstehen und unsere Weisheit, indem unsere Entscheidungen und Überlegungen nicht nur und ausschliesslich von unserem Verstand und logischen Denken getroffen werden. Indem wir durch Meditation lernen können, achtsam auf unsere Körpersignale zu hören, stehen uns unmittelbarere Signale und Informationen über uns, andere und unsere Umwelt zur Verfügung.

Stärkung des SELBST

Die Bereiche des mittleren präfrontalen Kortex scheinen wichtig zu sein für unsere Fähigkeit uns unserer Selbst bewusst zu sein. Mit der zunehmenden Bewusstheit, die mit regelmässiger Meditationspraxis einhergeht, entsteht zunehmend eine Erfahrung von Gegenwärtigkeit. Es entsteht die Fähigkeit, Dinge, die in uns und um uns vorgehen, aus seiner neutralen Beobachterperspektive wahrzunehmen, zu beobachten. Und während Meditierende diesen “inneren Beobachter” durch die Meditation kultivieren, zeigen Brainscans, dass Bereiche des mittleren präfrontalen Kortex mehr und mehr aktiv werden. Sarah Lazar schreibt dazu: “Diese Bereiche des mittleren präfrontalen Kortex sind diejenigen Gehirnbereiche, welche uns am meisten zu Menschen machen… Was wir bei der Meditationspraxis generell tun ist, dass wir den CEO des Gehirns aktivieren. Wir erwecken, so könnte man sagen, diejenigen Teile unseres Gehirns, welche uns dazu verhelfen, unser höchstes Potential zu entfalten und zu erhalten.”

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